Heute sollte ein besonderer Tag mit einer besonderen Herausforderung werden. 22 km wandern? Nein, das ist mittlerweile keine Herausforderung mehr. Rund 6 kg auf dem Rücken tragen? Möchte man sich daran gewöhnen, tendenziell eher sogar etwas mehr. Über tausend Höhenmeter? Das schon eher. Den Puls unter 160 halten? Das könnte richtig schwierig werden, oder ist gute Vorbereitung alles?
Immer wieder musste ich mich den Berg hoch kämpfen, Pausen einlegen und durchatmen. Nach einer Weile ist mir aufgefallen, dass es immer dann am schwersten bzw., unmöglich wird weiter zu gehen, wenn mein Puls über 160 schießt. Lange dachte ich, dass ich einfach nur mein Tempo drosseln muss und es ruhig angehen sollte, nur leider hat auch das nicht immer gereicht. Eine Woche zu vor war es wieder so weit: Während wir den Lehnsteig hochgingen, lag mein Puls öfters zwischen 160 und 174 als wohl gut für mich ist. Immer wieder musste ich Pause machen, durchatmen und die andern auf mich warten lassen. Einer meiner Begleiter schaute mich an und sagte ein Satz, der in meinem Kopf sehr schnell, sehr viel verändert hat: “Vielleicht musst du die Tatra einfach auf nächstes Jahr verschieben!” – Bitte was? Auf keinen Fall! Dieser eine Berg, ich höre ihn rufen, ich will da hin und ich werde da hochgehen. Dieses Jahr noch. Auf jeden Fall! Zumindest wenn es die Grenzen zu lassen, aber nicht, weil ich nicht fit genug bin. Dieser eine Satz wollte mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ich wusste aber auch, dass ich mit meinem Fitness-Level, da nicht so einfach hochkommen würde. Wie auch, wie soll ich auf über 2000 Meter hochkommen, wenn ich am Großen Winterberg schon fast sterbe?
Der Tag verging und es war Sonntag. Ich saß zu Hause, hatte Zeit zu denken und einen harten Entschluss gefasst. Wenn ich im Sommer in die Tatra hoch möchte, gibt es nur noch eine Lösung: Ich muss mit rauchen aufhören, sofort und ohne wenn. Also habe ich am Montag aufgehört. Und nein, es klingt wesentlich einfacher als es ist.
Also sind wir am Sonntag, nach knapp einer Woche rauchfrei los gewandert und ich war schon gespannt, ob diese eine Woche irgendetwas bewirkt. Ich war darauf eingestellt, dass es keine großen Wunder geben wird und ich nun den Berg hoch rennen würde, aber es würde mir auch schon reichen einen Unterschied, so kleiner er auch ist, festzustellen.
Also sind wir um halb neun vom Parkplatz in Schmilka erstmal der Elbe entlang losgelaufen. Leichtes warm laufen ist sicher nicht schlecht, bevor man den steilsten Aufstieg der Sächsischen Schweiz angeht. Und dann ging es los, Berg hoch, Stufen, wie man es so kennt. Ja, ich musste nach kurzer Zeit Pause machen, aber nur um erstmal die Hälfte auszuziehen. Auch wenn es leicht geregnet hat, war es eine drückende Hitze und ich war wie so immer viel zu warm angezogen. Aber dann ging es weiter… und weiter… und weiter. Bis hoch zum großen Winterberg. Während meine Beine vom gestrigen Training noch sehr müde waren und etwas zu kämpfen hatte, zeigten sich gleichzeitig auch noch andere Auswirkungen. Mein Herz schien es entspannter anzugehen. Mit einer Herzfrequenz von maximal 157, ging es den Berg hoch, ohne deswegen einmal Pause einlegen zu müssen. Klar hält man mal an, um ein Foto zu machen oder die Natur etwas zu genießen, aber ich hatte nie dieses ungute Gefühl, von dem ich schon fürchtete mit Leben zu müssen oder sehr lange trainieren zu müssen, damit es besser wird.
Und was macht man, wenn man den höchsten Punkt erreicht hat? Genau, alles wieder runter. Richtung Zeughaus ging es vom Großen Winterberg los, diesmal allerdings nicht dem Malerweg am Goldstein vorbei, sondern über die Richterschlüchte. Bis kurz vor dem Zeughaus, wo ich mich schon auf die Verpflegung freute. Allerdings musste ich mir die erst einmal noch verdienen, denn bevor es so weit war, wartete noch der Teichstein auf uns. Schon öfters von unten gesehen, allerdings noch nie oben gewesen. Das wollten wir heute ändern. Dieser Aufstieg zeichnete sich insofern als schwer, weil da überall so viele Büsche mit leckeren Blaubeeren befanden und ich Hunger hatte. Immer wieder blieb ich stehen, um mir welche zu pflücken, denn was gibt es besseres als die Früchte direkt aus der Natur? Nichts! Mit blauen Händen, Zunge und vermutlich Flecken im Gesicht, kam aber auch ich irgendwann oben an. Das war bisher auf jeden Fall der leckerste Aufstieg! Und dazu diese herrliche Aussicht, die man durch das nicht ganz so gute Wetter nicht ganz so toll genießen konnte, aber dennoch sehr schön war. Und mit dem Blick nach unten auf das Zeughaus, ließen wir uns auch nicht allzu lange aufhalten, um zur Nahrung zu kommen. Bevor ich noch die ganzen Büsche leer gefressen habe!
Den Weg von der Goldsteinaussicht zum Zeughaus war ich mittlerweile schon öfters gegangen und ich war jedes Mal sehr glücklich, dass ich diesen steilen Weg heruntergehen konnte. Bis heute. Heute ging es genau diesen Weg Berg hoch. “Dadurch, dass der Weg gleichmäßig steil ist, könnte ich mir noch vorstellen, dass er auch angenehm ist, hochzugehen.”, waren die Worte meines Wander-Mentor die Woche davor. Und er hatte nicht unrecht. Also ging es hoch und auch diesmal kurz einen Moment an der Goldsteinaussicht verweilen. Ich hatte mal gesagt, dass ich nur ungern zweimal an die gleichen Orte gehe, aber genau solche Aussichten haben mich gelernt, wie schön es auch sein kann, an bekannte Orte zurückzukehren und doch immer wieder neues zu entdecken.
Über schmale Wege, kleine Pfade und an vielen leckeren Büschen vorbei, suchten wir eine Aussicht, die offensichtlich nicht besonders bekannt und vor allem gut versteckt ist. Ich hatte den vor uns liegenden und mir eigentlich bekannten Felsen nicht gleich erkannt, aber zum ersten Mal in gut einem Jahr schaute ich auf den Winterstein herab und stand an dem Felsen, den ich mir sonst immer nur von dort aus angeschaut habe. Sehr glücklich darüber, dass ich auf dieser Seite stand, denn wie es aussah, war der Winterstein sehr begehrt.
Da diese Aussicht eine Sackgasse war, mussten wir erstmal ein Stück wieder zurückgehen, um dem eigentlichen Pfad zu folgen. Und dann kam eine große Entscheidung. Entweder den gemütlichen Pfad weiter, oder nochmals runter und zum vierten Mal heute wieder hoch, den einen Weg, der mir irgendwie im Gedächtnis geblieben ist, mit dem einen großen Stein, auf dem man so schön Pause machen konnte. Da ich es heute wirklich wissen wollte, ging es also runter. Und das Heringsloch wieder hoch. Um dann festzustellen, dass noch 40 m fehlen, um die 1000 Höhenmeter zu erreichen. Also nochmals auf den Großen Winterberg hoch.
Zum ersten Mal beschloss ich, dass ich versuchen möchte, die letzten 4 km in Barfußschuhen zu gehen. Es geht nur noch Berg ab und der Weg ist größtenteils weich. Also habe ich meine 800g schweren Bergschuhe aus- und die ganz leichten Barfußschuhe angezogen. Es fühlte sich an, als würde man tanzen, so viel Gewicht, dass nun nicht mehr an den Füßen hing, einfach nur herrlich.
Zurück in Schmilka gönnten wir uns kurz vor der Heimreise noch etwas zu trinken und ein Eis. Nach dieser Anstrengung heute, würde ich sagen, hatten wir es uns auch reichlich verdient.
Fazit: Bis auf eine kleine Ausnahme, konnte ich meinen Puls bei unter 160 halten und musste deswegen nicht einmal Pause machen. Ich bin zwar auch hier zwischen durch etwas langsamer gegangen, aber ich bin nicht stehen geblieben. Bereits nach einer Woche schon einen solchen Erfolg erleben zu können, bestärkt mich im Willen, endlich, nach fast 20 Jahren, rauchfrei zu werden. Es wird nicht einfach, aber wie heißt es so schön: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!
Maximale Höhe: 546 m
Gesamtzeit: 07:31:37